Aktuelle Preisentwicklung am Kaffeemarkt

steigender Aktienkurs

„Warum ist Rohkaffee derzeit so teuer?“

Wahrscheinlich führt uns diese Frage nicht zu einer der Problematik gerechten Antwort. Differenziert betrachtet war Rohkaffee anscheinend noch nie „teuer genug“. Die Möglichkeit, den wahren Preis für den Anbau landwirtschaftlicher Produkte in Entwicklungsländern darzustellen, wurde durch postkolonialistische Praktiken sowie durch an Rohstoffbörsen abgesicherte Verträge lange unterdrückt.

Die Digitalisierung der Kommunikation durch Messenger-Dienste und Social-Media-Kanäle ermöglichte den Produzenten in den Entwicklungsländern, ein Bild von der anderen, der industrialisierten Welt zu bekommen. Eine Welt, in der die von ihnen angebauten Produkte mit kleinen Margen in riesigen Mengen von hanseatischen Kaufmännern verkauft, mit großen Margen in kleinen Mengen von selbsternannten Röstmeistern veredelt und von teuer zertifizierten Baristi in der Gastronomie oder von Privatleuten am Siebträger zu Hause zelebriert werden. Ein Blick in eine überprivilegierte Konsumgesellschaft.

Corona veränderte zudem die gesamte Infrastruktur nachhaltig. Wir erklären weiter unten die Auswirkungen genauer.

Der aktuelle Anstieg des Kaffeepreises wird in den meisten Medien sehr einseitig dargestellt. Die aktuellen Entwicklungen haben ihren Ursprung in der Vergangenheit, welche uns nun einholt und wir uns verwundert die Augen reiben. Die Ursachen sind viel komplexer als nur Ernteausfälle in Brasilien und Vietnam:

1. Klimawandel und Ernteausfälle

  • Extreme Wetterbedingungen wie Dürren und Starkregen/Hagel sowie unregelmäßige Regenfälle haben die Kaffeeproduktion in wichtigen Anbauländern wie Brasilien und Vietnam stark beeinträchtigt. Diese beiden Länder sorgten bisher für 50% der Ernte weltweit.
  • Brasilien erlebte die schlimmste Dürre seit 70 Jahren, was sowohl die Qualität als auch die Quantität der Ernte negativ beeinflusst hat. Es ist die vierte schlechte Ernte in Folge und die Pflanzen sind sehr gestresst. Dadurch wird auch bei der folgenden Ernte mit geringen Erträgen gerechnet.
  • Vietnam, der größte Robusta-Produzent der Welt, hatte in 2024 die geringste Robusta-Produktion seit 13 Jahren. Weltweit mussten Röstereien den fehlenden Robusta mit Arabica aus anderen Ländern ausgleichen.
  • Durch immer öfter wiederkehrende Wetterextreme hören immer mehr Produzenten mit dem Kaffeeanbau auf und bauen weniger anfällige Pflanzen an.
    Frostschaden auf der Kaffeefarm in Brasilien
    Frostschaden 2021 in Brasilien

2. Lieferkettenprobleme und gestiegene Transportkosten

  • In Brasilien, dem größten Kaffee-Produzenten der Welt, hängen über zwei Millionen Säcke Kaffee in Häfen fest. Ursachen hierfür sind, unter anderem, logistische Engpässe, Personalmangel und eine Überlastung der Frachtkapazitäten.
  • Durch den Wertverlust der brasilianischen Währung (Reais) wurden mehr Güter in Containern exportiert als importiert. Dadurch kam es über die Zeit zu einem Mangel an Containern.
  • Die verzögerte Verschiffung führt zu einem künstlichen Angebotsmangel auf dem Weltmarkt, wodurch die Preise steigen.
  • Kriegerische Auseinandersetzungen und geopolitische Spannungen haben dazu geführt, dass viele Schiffe große Umwege fahren müssen, was die Transportzeit und die Kosten erhöht. Beispielsweise müssen einige Frachtunternehmen alternative Routen wählen, um Konfliktregionen am Horn von Afrika zu meiden (Umweg von 7.000 km für 3 Wochen).
  • Aufgrund der Gefahr durch die Huthi-Rebellen werden Schiffe, die normalerweise den modernen Hafen in Dschibuti, dem Nachbarland von Äthiopien, verlassen würden, nicht mehr versichert. Dadurch muss äthiopischer Kaffee auf dem Landweg bis nach Kenia transportiert werden. Der Hafen in Mombasa hingegen ist sehr alt und zu klein für dieses riesige Umschlagsvolumen, wodurch es zu Chaos und extremen Verspätungen kommt.
  • Handelsrestriktionen, Zölle und Sanktionen beeinflussen ebenfalls die Lieferketten und können zu Verzögerungen und Marktverwerfungen führen. Zum Beispiel exportierte Mexiko im Jahr 2023 mehr als 75% seines Kaffees in die USA. Nach den Strafzöllen durch die aktuelle US-Regierung bricht dieser Markt nun größtenteils weg. Die Ernte läuft aber weiter und die Produzenten hatten schon Kosten für Erntehelfer, Trocknung, Sortierung und Exportvorbereitungen. Die Ernte aus Peru liegt in den Startlöchern und könnte den Verkauf der mexikanischen Ernte bald noch weiter erschweren.
  • Kredite für diese Vorfinanzierung sind vor Ort nicht so einfach zu bekommen und teilweise auch nicht gewollt, da die Zinsen in Entwicklungsländern bei 20-30% liegen, nicht wie bei uns zwischen 2-3%.
  • Durch die Bewegungs- und Kontakteinschränkungen während der Corona-Pandemie haben sich Kaffee-pflückende Saisonarbeiter Jobs in anderen Industrien gesucht. Nun sind Kaffeepflücker kaum zu finden bzw. bestimmen verständlicherweise nun den Preis für ihre Arbeit. Die Pflückkosten haben sich dadurch fast verdreifacht. Dadurch muss auf den Farmen mehr Bargeld gelagert werden, da Erntehelfer meist täglich bezahlt werden. Auch das führt vermehrt zu Diebstählen und Überfällen auf den Farmen.
  • Durch weniger Erntehelfer können nicht alle Kirschen geerntet werden. In Zentralamerika blieb dadurch teilweise 20% der Ernte am Strauch und ging verloren.
    HHLA CTA  - Container Terminal Altenwerder
    HHLA CTA – Container Terminal Altenwerder

3. EUDR – Europäische Entwaldungsverordnung

Die Mitte 2023 veröffentlichte EU-Entwaldungsverordnung hatte zum Ziel, Entwaldung und Waldschädigung im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Rohstoffen wie Holz, Kakao, Kaffee, Kautschuk, Ölpalme, Soja und Rinder, sowie die daraus hergestellten Erzeugnisse zu minimieren. Nur noch zertifizierte Produkte dürften dann in die Europäische Union eingeführt werden.

  • Ein Drittel der Welternte von Kaffee wird in Europa verbraucht. Diese Menge sollte ab 2025 nur noch zertifiziert nach Europa kommen.
  • Laut der deutschen Zollverwaltung gab es 2023 mehr als 1.500 Kaffeeröstereien in Deutschland.
  • Im Jahr 2024 (vor Inkrafttreten der EUDR) wollten sich die meisten Importeure und Kaffeeröstereien noch mit nichtzertifizierten Kaffee versorgen. Das führte zu einer sehr hohen Nachfrage nach Rohkaffee. Der Preis stieg allein in 2024 von 4 auf knapp 7 $/kg um fast 70%. Derzeit (März 2025) pendelt der Börsenpreis um die 8,80 $/kg Rohkaffee Arabica. Robusta stieg in 2024 von 3 $/kg auf 5 $/kg und liegt aktuell bei 5,6$/kg Rohkaffee Robusta. Auf diese Preise kommen dann noch Aufschläge für höhere Qualitäten und Fairtrade/Bio. Bis dahin hat der Kaffee noch keinen Container von innen gesehen.
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www.finanzen.net – Kaffeepreis Arabica 06.03.2025
  • Aufgrund der erhöhten Nachfrage in 2024 machten viele Kooperativen Verträge mit den Importeuren in Europa und weltweit zu fixen Preisen. Der Kaffee war jedoch noch nicht geerntet. Bei den immer weiter steigenden Kaffeepreisen waren die Produzenten nach der Ernte jedoch nicht bereit, ihren Kaffee an ihre eigenen Kooperativen zu den fixierten Preisen von damals zu verkaufen. Die Kooperativen hatten aber kein Geld, um die aktuellen Preise zu zahlen bzw. die Zinsen für mögliche Kredite sind in diesen Ländern viel zu hoch (20-30%). Also verkauften die Produzenten an fliegende Händler, die zudem nicht auf die Qualität achten, und sofort in bar bezahlen. Zudem waren die Kooperativen teilweise in der Liquidität eingeschränkt, da die Corona-Kredite nun zurückgezahlt werden mussten. Die Kooperativen konnten nicht den vertraglich zugesicherten Kaffee an ihre Käufer liefern.

4. Spekulationen und Finanzmärkte

  • Hedgefonds und Spekulanten treiben die Preise an der Börse weiter in die Höhe, was für Kleinbauern oft keinen direkten finanziellen Vorteil bedeutet. Wenn auf fallende oder steigende Kurse gesetzt wird, erhöht sich die Volatilität. Dies führt zu absoluter Verunsicherung auf allen Ebenen.
  • Kaffeeproduzenten halten teilweise ihre Ernte zurück, weil sie auf weiter steigende Preise spekulieren. Dies führt kurzfristig zu einem verringerten Angebot auf dem Weltmarkt und treibt die Preise zusätzlich nach oben.
  • Einige Exporteure zögern den Verkauf hinaus, um von möglichen Preissteigerungen zu profitieren.
  • Importeure kaufen weniger Kaffee im Voraus, sondern nur noch bei fixen Abnahmeverträgen. Dadurch ist weniger Kaffee in Hamburg und Bremen verfügbar.

5. Nachhaltigkeitsaspekte und Fairtrade

  • Höhere Produktionskosten für nachhaltigen Anbau und Fairtrade-Programme setzen die Kaffeepreise zusätzlich unter Druck.
  • Durch den so schon sehr hohen Kaffeepreis ist der Bio-Aufschlag für den damit zusammenhängenden Aufwand zu gering. Produzenten erneuern deshalb ihre Bio-Zertifikate nicht mehr. Das führt zu weniger Biokaffee auf dem Markt.
  • Während höhere Preise theoretisch den Produzenten zugutekommen könnten, profitieren oft Zwischenhändler und große Konzerne davon. Kleine Produzenten mit 0,5 bis 1 Hektar haben mit ihren wenigen Sack Kaffee wenig Macht, um auf den Preis Einfluss zu nehmen. 95% der Kaffeefarmen weltweit sind kleiner als 5 Hektar, in Äthiopien sogar kleiner als 2 Hektar.

6. Steigende globale Nachfrage

Die steigende globale Nachfrage nach Kaffee wird durch mehrere Faktoren beeinflusst, die sich auf verschiedene Regionen und Konsumentengruppen unterschiedlich auswirken:

  • Wachstum in traditionellen Kaffeeländern
    • In etablierten Kaffeekonsumländern wie den USA, Deutschland und Japan bleibt der Verbrauch hoch.
    • In Deutschland trank 2024 jeder Erwachsene durchschnittlich 3,4 Tassen Kaffee pro Tag.
    • Trotz steigender Preise bleibt die Nachfrage relativ stabil, da Kaffee für viele Menschen ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Alltags ist.
  • Zunehmender Konsum in Schwellenländern
    • Bevölkerungsreiche Länder wie China und Indien erleben einen starken Anstieg des Kaffeekonsums aufgrund des dort steigenden Wohlstandes.
    • In China wächst besonders der Markt für Spezialitätenkaffee und Kaffeehausketten.
    • Diese neue Nachfrage sorgt für zusätzlichen Druck auf die globalen Vorräte und beeinflusst die Preisbildung.
  • Trend zu Spezialitätenkaffee und nachhaltigem Konsum
    • Immer mehr Konsumenten legen Wert auf Qualität, Herkunft und Nachhaltigkeit.
    • Die Nachfrage nach hochwertigem Arabica-Kaffee steigt, während gleichzeitig die Produktionsbedingungen für diese Sorten schwieriger werden.
    • Durch Wetterextreme sinkt die Kaffeequalität bei den geernteten Kirschen. Dadurch kann weniger Spezialitätenkaffee heraussortiert werden. Bei den aktuell hohen Kaffeepreisen ist der Aufschlag für diese speziellen Kaffees zu gering, wodurch sich der Mehraufwand für die Produzenten nicht lohnt.
  • Verändertes Konsumverhalten nach der Pandemie
    • Während der COVID-19-Pandemie hat der Konsum von Kaffee in den Haushalten stark zugenommen.
    • Viele Menschen haben begonnen, hochwertigere Kaffeemaschinen und Bohnen zu kaufen, was die Nachfrage nach Premium-Kaffee gesteigert hat.
    • Gleichzeitig kehren viele Berufstätige in Büros zurück, was auch den Konsum in Cafés und Restaurants wieder ansteigen lässt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kombination aus Klimawandel, logistischen Herausforderungen, geopolitischen Unsicherheiten und Marktspekulationen dazu führt, dass weniger Kaffee zur Verfügung steht. Demgegenüber steht eine steigende Nachfrage. Diese Probleme dürften auch in Zukunft den Kaffeemarkt belasten und Experten gehen davon aus, dass die Preise auf einem hohen Niveau bleiben werden.

Autor: Markus Gaibl

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